Die Geschichte zur Geschichte: Jahrelang traf mein Vater regelmäßig in seiner Stammkneipe den Kap Hornier Kapitän Axel Möller, also einen Kapitän der noch das Kommando auf einem Kap Horn rundenden Großsegler gehabt hatte. Eines Tages hat dieser meinem Vater – gebunden in einen unscheinbaren Pappdeckel – den von einem anderen Kap Hornier verfassten unveröffentlichten Bericht von dessen erster Rundung des Kaps geschenkt. Mein Vater schenkte das Heft kurz vor seinem Tod mir. Und ich habe es dann irgendwann vergessen. Schlimmer noch: bei einem Großaufräumen meines Büros hatte ich es schon in den Karton „kann weg“ entsorgt. Nur dass so gar nichts auf dem Heftdeckel stand, bewegt mich, noch mal nachzuschauen, ob ich da nicht was Wichtiges weggeworfen hatte. Ich hätte! Für mich ist es eine der besten Geschichten, die ich je gelesen habe. Gerade weil sie so holprig und ungeschliffen daher kommt und obwohl die Verehrung ihres Helden so unbeholfen anmutet, gefällt sie mir unendlich viel besser als der Feinschliff mancher Edelfeder.                    Jens Thomsen

Autor der Geschichte ist einer der berühmtesten Kap Horn-Kapitäne, Robert Clauß, der 35 Kapitän Clauß Pamirmal das Kap rundete. Davon 15 mal als Schiffsführer- u.a. mit den legendären Flying P-Liners Padua, Pamir und Priwall. Die Geschichte wurde zur Veröffentlichung freigegeben von seiner Tochter Minne Nolze. minnestolze_2Sie arbeitet als „Passat”- Führerin auf dem in Travemünde liegenden P-Liner, den ihr Vater auf der letzten Reise des Schiffes nach Travemünde überführte.  Fast alle Fotos, mit der diese Erzählung illustriert wurde, hat die chilenische Vereinigung der Caphorniers (www.caphorniers.cl) zur Verfügung gestellt.

Kap Horn – Eine Umsegelung

des Kaps von der Deutschen Viermastbark

“Renée Rickmers” 1911

Reise von Barry Dock nach Mejillones in 202 Tagen erzählt vom Leichtmatrosen Robert.

von Kapitän Robert Clauß

CapeHorn_2

Reisedaten                                                                                                                                                         Am 5. November 1911 hatte die deutsche Viermastbork “Renée Rickmers” ihren langen, beschwerlichen Kampf um Kap Horn beendet und überquerte den 50. Breitengrad Pazifik. Das sind die Reisedaten:

  • Am 5. Mai 1911 hatte das Schiff den Ladehafen Barry Dock verlassen, beladen mit 3100 Tonnen Kohle.
  • Am 10. Juli überquerte das Schiff den 50. Breitengrad, Süd, im Atlantik.
  • Am 1. August lief es in den Nothafen Port Stanley, Falkland Inseln ein.
  • Am 25. September verließ das Schiff Port Stanley, Richtung Kap Horn.
  • Am 5. November überquerte es den 50. Breitengrad südlicher Breite im Pazifik.
  • Am 22. November, Buß- und Bettag 1911, lief das Schiff im Löschhafen Mejillones, an der Chileküste ein.
  • An Kap Horn vor Port Stanley 22 Tage; nach Port Stanley 42 Tage; 64 Seetage um Kap Horn.
  • Totale Reisedauer von Barry Dock nach Mejillones 202 Tage

ReneeRickmers--Havtor-01

Renée Rickmers

Der Schreiber dieses Berichtes ist der Leichtmatrose Robert, damals auf Backbord Wache. Hiermit folgt eine kurze Beschreibung des Schiffes: Die “Renée Rickmers” wurde 1893 auf einer englischen Werft gebaut, aus Eisen. Sie war ein Glattdecker. Vorn eine kurze Back mit dem Mannschaftslogis, hinterm Großmast das Haus, in dem das Zimmerhock, das Logis der Mittschiffsgäste und die Kombüse war; achtern die Poop. Das Schiff hatte 3 Ladelucken, möglich vor dem Fockmast noch eine kleine Lucke. Die Untermasten waren Eisen. Die Mars- und Bramstengen, die oberen Raaen, Bugspriet und Klüverbaum, Besahnsbaum und Gaffel waren Holz. Das Schiff fuhrt doppelte Mars-, enkelte Bramsegel und Royals, drei Klüver, nur Stengestag-Segel und nur eine Gaffel. Es hatte Handbrassen. Obermars- Bram- und Royalraaen waren nur mit Taljen zu heisen und mit viel Knochenfett, versteht sich. An Deck standen auf der Back das Ankerspill und auf dem Achterdeck ein ganz kleines Gangspill, welches aber viel Arbeit leisten mußte. Das Ruderrad war an der Ruderschnecke, die vom Teakholz Ruderkasten bedeckt wurde. Im Logis waren je 10 Kojen, in denen je 6 Matrosen und 3 Junggrade wohnten; je Wache neun Mann. Mittschiffs im Haus wohnten der Zimmermann und Segelmacher, unter der Poop der Koch, die beiden Steuerleute und der Kapitän. Also: vorn 18, mittschiffs 2, achtern 4 Mann,total 24 Mann Besatzung.

 Segelschema

Ende April 1911 wurden der Segelmacher Singel, der Leichtmtr Robert und ein Schiffsjunge in Bremerhaven gemustert. Wir reisten ohne Zwischenfälle nach Barry Dock und kamen dort an einem Sonntagvormittag an. In den Docks lagen mehrere Raasegler. “Dort, der Grüne, das muß die ‘Renée’ sein.” Als wir mit unserem Gepäck längsseits des Schiffes kamen, stand oben an der Reeling, auf der Nagelbank ein Mann, der uns freundlich zunickte. Schon die allererste Begegnung mit diesem Menschen war außergewöhnlich positiv. Ein braun gebranntes, offenes, fröhliches Gesicht, helle leuchtende Augen; er warf uns ein Tauende zu und sagte: “Steck an”! So holte dieser Mann 3 Seekisten, 3 Zeugsäcke und 3 Strohsäcke an Bord für seine Kameraden. Dieser Mann war der Matrose WILHELM FRANKE, gebürtig aus Erfurt, der Held dieses Erlebnisberichtes. Am 5. Mai 1911 hatten wir den Ladehafen Barry Dock verlassen, und ohne besondere Schwierigkeiten überquerte das Schiff am 10. Juli 1911 den 50. Grad südlicher Breite im Atlantik, es war somit “an Kap Horn”!! Mit steifem Nordwest-Wind segelte das Schiff schlank durch die Straße von Le Maire, erreichte rasch die Breite von Diego Ramierez und dann, ja dann …. Gerade, weil die kommenden Tage so außergewöhnlich hart waren, haben sich die Geschehnisse dem Lchtmtr Robert eingeprägt wie gemeißelt.

CapHorniers1

Robert kann manchen Namen nach 60 Jahren nicht mehr genau wiedergeben, doch verbürgt er sich für wahrheitsgetreue Erzählung der Erlebnisse, wie er sie erfuhr. Natürlich, jedes Schiff wird in Farbe gehalten, jede Kost bedarf der Würze, so auch jede Erzählung eines gewissen Zufeilens. “Und warum, Robert, hast du 60 Jahre lang geschwiegcn, gezögert diese interessanten Erlebnisse an Bord der “Renée Rickmers” niederzuschreiben? Warum tust du es jetzt?“ Ja, mit dem Herzblut mitten im Leben stehend, sieht man jetzt, daß alle Werte, die uns früher etwas galten, als wertlos in die Schrimpskiste geworfen werden. Bestimmt kommt noch einmal die Zeit, in der die Menschen Rückschau halten nach Schiffsbesatzungen, die ihr Letztes einsetzten für ihr Schiff! Und dann Kameraden, wir, die wir vor dem 1. Weltkrieg Kap Horn umsegelten, sind alle über 70. Die unsichtbare Musikkapelle des Jenseits, die jedem Kap-Horn-Fahrer bei seinem Abruf das letzte Rolling-Home-Lied spielt, kommt aus dem Abstimmen ihrer Instrumente gar nicht mehr heraus. Heute wird sie hierhin, morgen dorthin gerufen. Der Lchtmtr Robert will alles fein aufgeklart haben, was jetzt noch sein Anliegen ist, ehe auch ihm der erste Ton des Rolling-Home-Liedes ertönt. Und dann Kameraden, sicher wird die Zeit erst noch kommen, in der man den eigentlichen Wert der großen Ozean-Segelschiffahrt erkennen wird. Auf diesen kommenden Erkenntnissen wird man neue kulturelle Gesetze bauen. Man wird den Heroen vergangener Segelschiffahrt Denkmale setzen. Wenn das geschieht, soll man nicht nur Admiräle und Kapitäne, wie Karpfanger, Behnke, Nettelbeck, Hilgendorf, Petersen u.a. würdigen, sondern auch des besten einer gedenken…..

BOWSPRIT[1]
Der Lchtmtr. Robert läßt in dieser Stunde all die Segelschiffsbesatzungen an seinem geistigen Auge vorüber gleiten, um den Besten herauszufinden. Wer von den vielen Hundert tüchtigen Seeleuten ragt hervor an Mut, Kraft, Treue, Seemannschaft und all den großen Eigenschaften, die auf Seglern leben? Ist’s auf “ELISABETH” der Bootsmann Albrecht? Ist’s auf “EITEL FRIEDRICH” der N.O. Fredersdorff? Ist’s auf “GEYSIR” der schweidsche Matrose Güstav, der immer vorweg war? Ragt auf “EDMUND”, “ELSE”, “HELGOLAND”, “ALLOTAR”, “PRIWALL”, auf “PASSAT” sein Kamerad Clausen auf “PAMIR”. “PADUA” einer hervor, dem man den Lorbeer: “Du warst der Beste” überreichen könnte? Da ist Emil Groß, Anton Paulsen und viele andere ausgezeichnete Seeleute, würdig für höchste Ehren! Doch allen fehlt im Blickfeld des Lchtmtr Robert die aufleuchtende Tat, kommend aus einer schier magisch inneren Kraft, die heute nach 60 Jahren dem Lchtmtr Robert von einem Matrosen der “RENÈE RICKMERS” in Erinnerung ist, als sei sie kürzlich geschehen.

Auch hat der Lchtmtr Robert mit der Beschreibung der Heldentag des Matrosen Wilhelm Franke zurückgehalten. Denn als des Matrosen Willems Stern aufleuchtete unter der Besatzung in jener Stunde, sackte der Robert ab bis zur totalen Null.
Ich war nicht derjenige, der den Schiffsjungen Franz rettete, sondern Willem, der Matrose. Meine körperlichen Kräfte in der Stunde höchsten Anrufs waren nicht mehr vorhanden. Es wird Zeit, dafür zu sorgen, daß des besten Matrosen in seiner Art, dem Matrosen Wilhelm Franken ein Denkmal gesetzt wird in den Herzen derjenigen Menschen, die heroisches Leben noch schätzen, die einen Segelschiffsmatrosen achten, der in nichts und nirgens zu keiner Zeit und an keinem Ort, in keiner Art und in keiner Weise je unterlegen war, sondern stets und ständig “auf der Höhe”! sich befand, leuchtend in schwersten Tagen an Kap Horn; dieser Tatsachenbericht wird es beweisen. Solchem Auserlesenen geben die Waltenden auch Gelegenheit zur auffallenden Tat. Viel helle Mär weiß der Robert von jenem Willem von jener Reise zu berichten, die in einer anderen Sphäre um den Mann in einer Lichtsphäre nur zu suchen sind. Viele, viele Wesen kommen und gehen im Leben eines Menschen – und sind vergessen. Doch mit welch starkem Leben der Matrose Willem sich in das Gedächtnis des Lchtmtr Robert eingemeißelt hat, hier ist das Prädikat auch heute noch treffend: es ist das Leben eines Helden!

Vom 50. Breitengrad Atlantik, bis zur Breite von Diego Ramierez sind es etwa 400 sml. Diese Strecke hatte der Segler ohne Schwierigkeiten zurückgelegt. In den darauffolgenden Tagen aber wurde er von einem schweren Sturm nach dem anderen befallen. – Der Lchtmtr Robert, der den Schwerpunkt seines Lebens später selber nach Kap Horn verlegte, mit 35 Umsegelungen, 15 davon als Schiffsführer und somit sachverständig in jenem “SPORT” geworden ist, will Carl Dau, den Kapitän der “Renée” in keiner Weise kritisieren, dazu war er 1911 nicht imstande. Auch hat niemand die Autorität des Kapitäns anzutasten gewagt; im Gegenteil, je schwerer die Strapazen waren, die dem gesamten Schiff auferlegt wurden, desto stabiler ging die Person des untadeligen Kapitänes hervor.
Also müssen, wie gar manches Schiff es dort erlebte, die Wetterlage einfach barbarisch hart gewesen sein. Muß ein Kapitän, die volle Härte, die Kap Horn auszuspielen vermag, mit seinem Herzen tragen, so werden der Mannschaft körperliche Strapazen auferlegt, die unbeschreiblich sind. Die “Renée” hat in den 64 Tagen von 50 bis 50 wohl an die 30 Sturmnächte erlebt und mehr, die alle ähnlich verliefen. Diese kann Robert nicht mehr auseinander halten. Alle waren sie in ihrem Ablauf ähnlich und alle nahmen an Härte zu, weil die Körper und die Kleidung dem Verschleiß unterworfen sind. Wenn hiermit eine von den Sturmnächten und dem Ablauf der Manöver beschrieben wird, so ist das gleichlautend für alle Stürme.

06PLEI~1
Die erste Manövernacht setzte mit voller Wucht und voller Härte ein. Nacht war es an Kap Horn; es war etwa der 12. Juli 1911. Man ging englische Wache. Um 20 Uhr damals schrieb man 8 Uhr p.m., beide Wachen sind an Deck, der 1. Steuermann Herr Focke brüllt beim Wachwechsel “Krüz Bobenmarsseil dooll” Er selbst bedient das Fall. Der zweite Steuermann teilt die Leute ein, Dumper und Gerdings werden geholt. Bei Windstärke 9 ein Segel dichtgeien, sodaß es gut festgemacht werden kann, ist schon schwer. Pechschwarz war die erste Nacht. Nur die sich antürmenden Wellenkämme sieht man, doch sie haben keine Leuchtkraft. Brecher kommen über, erfaßt die Leute, wäscht sie über Deck, KH 1schleudert sie gegen Spieren, Lucken, Nagelbänke, blaue, schmerzende Stellen bekommen die Leute an ihren Gliedmaßen, die Seestiefel sind schon voll Wasser. An den Knien, zwischen den Beinen, am Hals, die Ärmel hoch bis zum Ellenbogen, sind die Kleider schon naß. Wasser, Brecher, Sturzseen das Schiff hat nur ein Freibord von 5’10’ und macht noch Fahrt voraus, d.h., da ist Kraft hinter den überkommenden Seen.

Wenn kein Gording und kein Dumper mehr etwas gibt, werden die Leute nach oben geschickt: “Go ropp un mock fast dat Seill” Wenn schon dann erst die eigentlichen Kraftanstrengungen anfangen, dem Sturm, der immer zunimmt, die Segel zu entreißen, so war es doch eine Erleichterung, aus den Wassermassen an Deck enthoben zu sein. Auf der Raas hatten die stärksten Matrosen dann das Sagen. Willem Franke mit seiner durchdringenden, rauhen Stimme war immer da, wo ein Bauch des Segels zwischen den Gordings am steifsten war. Mit den Fäusten schlug man hinein im Rhythmus,bis man eine Brock fassen konnte. Brock um Brock wurde dann, wenn man sie halten konnte, untern Leib geschoben, bis ein Leichtmatrose mit dem Zeising von unter der Raa her dem von oben greifenden Matrosen den Törn zulangte. Bauch um Bauch, Nock um Nock, Raa um Raa.So wurden die Segel unter tatsächlich unbeschreiblichen Anstrengungen nach und nach festgemacht. Erst die Mitte, dann die Luvseite, dann die Leeseite der Raa. Nach dem Kreuzobermarssegel kam das Vorobermarssegel, dann das Großobermarssegel. Stunde um Stunde verging.

CapHorniers2

Wie oft ist es vorgekommen, daß auf der Raa der zum Teil geborgene Bauch eines Segels in einer harten Böe den Fäusten der Matrosen entrissen wurde. Diese Kraft des Sturmes riß dann den Matrosen die Fingernägel ab, riß die Haut von den Knöcheln der Finger. Handschuhe konnte man nicht gebrauchen; der Sicherheit des Griffes wegen, in der Takelage waren sie auch unzweckmäßig. Es kamen Schnee und Hagelböen, die die Hände eisig machten, die dem Sturm zugekehrte Gesichtshälfte durch Eisnadeln zerstach.
Wenn dann das letzte Obermarssegel fest war, die Menschen schon ziemlich erschöpft, hieß es “Gei up de Fock!” Dann war Mitternacht und Wachwechsel schon längst vorbei. Es gab keine Pause, keine Rast, keine Zeit für eine Stärkung. Der Lchtmtr Robert hat manchmal die beiden Steuerleute bewundert, immer waren sie führend an Deck. Einer der beiden fierte den Fockhals und dann wurde Pull um Pull, Hol um Hol die Fock, ein großes, schweres Segel, immer naß und steif dichtgegeit. Ich glaube, es ist nie einem Menschen der Gedanke gekommen: Könnt Ihr noch? – Kap Horn verlangte es, und das Segelschiff gehorchte, eine ganz einfache, stahlharte Philosophie. Es ist jene Reise vorgekommen, daß die Matrosen beider Wachen 3 bis 3-1/2 Stunden allein auf der Fockraa gelegen haben, um das Segel zu bergen – und haben die Fock doch festbekommen. Wenn dann die Leute von oben kamen, das Fockwant Webeleine bei Webeleine abwärts, der ganze Körper vom Wasser erkaltet, vom Sturm durchblasen, so daß der Mann kaum noch denken konnte, wenn dann die Leute bihoop waren, kam das Kommando “halsen”. Das war das allerschwerste. Dann waren 8 Glasen, 4 Uhr morgens, zum zweiten, oder gar dritten mal Wachwechsel, von dem kein Matrose Notiz nahm, meist schon vorbei. Dann wurden die Leute an den Luv Kreuz- und Luv Großbrassen verteilt. Das Schiff fiel ab, nahm Fahrt auf, in lee fierten die Steuerleute die Brassen, achtgeben!! achtgeben, daß die langen Tauenden nicht in den Lenzporten beschädigt werden, sie wurden meistens von den Jungens zugereept. Das Schiff lag vor Untermarssegel, kam schnell auf 10 kn Fahrt und mehr vor dem Winde.
“Woahr di, Seemann!!”, wenn dann die Seen von achtern überrellten. Wenn Groß-und KHS1Kreuzraaen vierkant gebrasst waren, ging man mit allemann an die Fockbrassen, dann wurde der Vortop rumgebrasst. Dann, zu luvat fierten die Steuerleute die Luvbrassen, wurden Kreuz-und Großraaen scharf angebrasst: “allhands achterutl” auf die Poop in Sicherheit, dann luvte das Schiff an, schwerste Brecher kamen über Deck, bis das Schiff endlich Fahrt verlor und über dem andern Hals beigedreht lag, den Sturm abwetternd.

Es ist nicht möglich, solch eine Nacht, die ohne Pause und Erholung sich von 19 oder 20 Uhr unter allerschwersten Strapazen hinzog, in eiskaltem Seewasser, durchnäßt bis auf die Haut, halb erfroren in der Takelage beim Festmachen von oft 4 Raasegeln, ausgepowert, zerschunden und entkräftet, in Ausführlichkeit zu beschreiben. Das alles hat diese brave, tapfere Besatzung in 64 Seetagen an Kap Horn ohne Murren getragen. Doch wie sah die Mannschaft dann aus, wenn nach 8 oder auch 10 Stunden Herr Focke rief: “Verfang Roer un Utkiek, Wach zur Koje“ Die Leute hörten das nie. Mehr Kraft war einfach nicht da. Was kam da von Deck zur Koje? Das waren keine Matrosen mehr, das waren Haufen Elend, die da, die Schlingerbewegungen des Schiffes gar nicht gerechnet, zur Logistür hereinwankten. Unfähig überhaupt noch zu denken- nur schlafen, schlafen, das war das Bestreben, welches uns beherrschte, wir waren entkräftet bis zum Umfallen. Da sprach kein Schluck Wasser mehr an, da interessierte kein Stück Brot mehr. Schlafen, schlafen, die 2 oder 3 Stunden bis 7h20, bis ein Mann der Steuerbordwache kommt zu purren. – Wenn immer der Lechtmtr Robert an jene Reise gedacht hat, so mußte er sich sagen: Nicht Carl Dau hat dieses Schiff um Kap Horn gebracht, sondern eine Zieharmonika! Denn dieses Schiff hatte einen Helden an Bord, den Matrose Wilhelm Franke. Es ist zur Genüge beschrieben, wie wir alle hereinwankten ins Logis, nur mit einem Gedanken: an die Koje!
Der Robert war nicht der erste, aber auch nicht der letzte, der vollkommen aufgerieben von Deck kam. Und meint Ihr, Robert, der immer am entkleiden, d.h. an Zeug und Strümpfe auswringen war, wenn Willem von Deck kam, hätte je an diesem Mann ein Zeichen von Erschöpfung gesehen? Bis auf eine Nacht, von der später geschrieben werden soll, kam dieser Willem herein wie immer, Kopf im Nacken, die Augen blank und stark, keine Spur von Erschöpfung, trotzdem er doch immer und überall in der Vorhand war. Und was geschah? Das erste was Willem tat, er griff nach dem Kopfende seines Kojenbordje, steckte sich die Pfeife an, dann nahm er die Ziehharmonika vom Bordje, setzte sich auf das vordere Ende der Back, hob ein Bein und das Wasser schoß aus seinem Stiefel, hob das andere Bein, und auch der Stiefel war entleert von Seewasser.
Und dann geschah ein Wunder: Bis auf eine, aber auch nach jeder durchkämpften Sturmnacht, so daß der Robert überzeugt ist, daß weder Mozart noch Beethoven, weder Wagner noch Furtwängler die tiefste Tiefe, die in der Musik liegende Kraft erfahren haben.

Dieses Erlebnis blieb einzig und allein den Besatzungen derjenigen Segler beschert, die die härtesten Strapazen an Kap Horn zu bestehen hatten und einen Mann an Bord hatten mit einer lichtmagischen Seele wie dieser Matrose Willem Franke. Denn, noch ehe einer der vollkommen erschöpften Leute eingeschlafen war, zog Willem auf der Harmonika den ersten Akkord, dann noch einen und noch einen. Dicke Tabakswolken qualmten dabei aus seinem Munde. Dann kam der erste Gassenhauer (nur solche Melodien), u.a.“Was nützet dem Seemann sein Geld, wenn er doch ins Wasser fällt” oder “Flanigain, Flanigain, take me to the Isle of Man again” oder “Den Bergenske Pige med Oigne so blou, den akte so noige whor Sömanen go” So spielte dieser eiserne Matrose, als ob gar nichts passiert sei einige Minuten in aller Frische. Robert, bezeugt hiermit, daß das folgende Erlebnis jedesmal eintrat: Einer von uns richtete sich auf in der Koje, dann der andere, dann der dritte, mit fröhlichen Gesicht, mit einem Scherz auf den Lippen, mit Frohsinn und Harmonie im Gebahren. Die Raucher waren, griffen nach der Pfeife und Hans Dräger sagte dann immer: “Was tut in diesem Fall ein Mann, er steckt sich seine Pfeife an und zieht die bläulichen Gase, mit wahrem Hochgenuß durch seine Nase”. Kein Ton einer schmutzigen Zote. Nach 10 Minuten solcher musikalischen Stärkung aus der Harmonika gespielt, von Willem Franke, war die Wache wie gewandelt, durch die Kraft und Macht der Töne, entlockt einem Instrument, waren alle neun Mann mehr und besser gestärkt, als von einem 10gängigen Diner. Alle Strapazen waren in einer Viertelstunde vergessen, alle Knochen wieder beweglich. Alle Härte war gewandelt in Wohlsein. Man lachte, glossierte die Strapazen, geheilt war die BB-Wache von Außen und von Innen. Ein Wunder war geschehen.

Viel länger als 15 Minuten hat Willem auch nicht gespielt. Dann feudelte auch er seine Stiefel aus, wrang die Strümpfe, zog sich die Schäfte über die Füße, klopfte die Pfeife aus und wenn er dann die Logislampe, Petroleum in kardanischer Aufhängung, herunter geschraubt hatte, dauerte es keine 3 Minuten und die Wache lag in tiefstem, erquickenden, stärkenden Schlaf.
Die Frage ist: Woher kamen die Kräfte, die solche Wunderwirkungen auslösten?
1. Fall, waren es nur die Töne eines Musikinstrumentes, die alle Leute derartig beeindruckten? Sehr fraglich, denn die Wandlung war bei jedem von totaler Erschöpfung zu gehobener Stimmung (Alkohol gab‘s nachts nicht).
2. Fall, draußen wehte immer ein schwerer Sturm, man hatte die Nacht durch das Brüllen entfesselter Natur erlebt und diese Töne dann im Logis, entlockt einer Harmonika brachten die Seelen in eine andere, schönere, wohlige Scheinsphäre. Möglich, doch die durchschlagende Wirkung bei jedem von uns war frappierend und mußte tiefere Ursachen haben.                                                                                                                                                                 3. Fall, es war der Willem Franke der da spielte und dieser seelenstärkste aller Seeleute, die Robert in den 50 Jahren seiner Seefahrtzeit erlebt hat, hat seine Seelenkraft auf die Töne moduliert, die er seinem Instrument entzauberte und so seinen Kameraden übertragen. Das ist sehr leicht möglich, daß dies die Ursache der Wunderwirkung war.
4. Fall, Die “Renée Rickmers” war kein Schiff, welches in allem den Winter Kap-Horn-Stürmen trotzen konnte. Solche Schiffe segeln an der Kante des Verderbens, sind preisgegeben den erbarmungslosen Angriffen geheimer Naturkräfte. Solche Schiffe werden, der Bipolarität allen Seins entsprechend, umgeben und geleitet von desto stärkeren Líchtwesen. Diese freuen sich wohnen zu können in starken Herzen-und diese waren es, die den stärksten aller Matrosen als Medium benutzten, um sich so wunderbar wohltuend an allen und in allem zu äußern.
Bei abnehmendem Sturm wurden die Obermarssegel gesetzt. Eine Jolle wurde lang ausgeholt, auf das Fall gesteckt und nach einem der Gangspills genommen.

Das Bild unten´ist entnommen dem Film „Storm off of Cape Horn Historic Vessel Vega“ . 01_Ruder im Sturm

Noch rollte das Schiff, noch kam viel Wasser über, doch die Handspaken drehten die Gangspill.
Die Matrosen fingen an Shanties zu singen, langsam wand sich die Raa empor. Und wer sang am ersten, am lautesten und riß alle mit? Der Matrose Willem, nichtachtend aller Unbilden, denen das Schiff noch zur Genüge ausgesetzt war. So hatte das Schiff da unten gekämpft die ersten 10 Tage an Kap Horn, ohne auch nur eine einzige Wache der Erholung.

 800px-Wd_b176
 Am 21. oder 22. Juli 1911, das Schiff lag über BB-Halsen, schlug in einer Orkannacht ein überkommender Brecher die Luv-Kombüsentür in Stücke. Die nächste überkommende See schlug die Lee-Tür ein und der dritte Brecher nahm alles mit was da war: Herd, Schränke und sämtliches Gerät. Die Verpflegung war ab diesem Tage Biskuits, die englischen von Bakers &Spillers und geräucherter Speck. Da das Schiff ein Indienfahrer war, gab es keine Logisöfen, nur die Kajüte hatte einen ganz kleinen Kanonenofen, auf dem jeweils einmal am Tage vormittags, einmal nachmittags ein Tin voll Wasser kochend gemacht wurde, um jedem Mann per Tag ½ Muck voll heißem Kaffee zu gönnen.
Noch gab Carl Dau nicht auf, noch hoffte er auf Wetteränderung. Doch nachdem in der Nacht vom 23. zum 24. Juli die noch brauchbaren Marssegel wegflogen oder beschädigt wurden, entschloß er sich Port Stanley als Nothafen anzulaufen. Es war bei Wachwechsel mittags um 12 Uhr am 24.7.1911, es wehte orkanartig, da ließ er beide Wachen auf die Poop kommen und sagte: “Wir müssen den Innenklüver setzen und abhalten, wir wollen nach Port Stanley. Wir stehen noch 12 Meilen von den Rocksen, also Leute, strengt euch anl” Der lnnenklüver wurde gesetzt, ohne beschädigt zu werden. Das war ein Meisterstück des ersten Steuermann Herr Focke, der eine Minderung im Seegang abwartete, das Fall in einen Fußkock gelegt hatte, paar Mann holten die Schrot auf der Back, die anderen liefen das Fall auf, bis es belegt werden konnte. Das Strecken machte dann die Dördehand. Der Robert hielt eifrig Ausschau, ob irgendwo ein Felsen zu sehen sei, doch fand er diese Annahme nicht bestätigt. Das Schiff fiel ab vor den Wind und segelte noch eine Woche, ehe es am l. August l9ll gegen mittag Port Stanley erreichte. Also muß die gute “Renée” schon recht weit westlich gestanden haben.
Auf dem Wege nach Port Stanley ereignete sich folgendes: Am 30. Juli auf Morgenwache schralte der Wind nach NW und nahm gewaltig zu. Beide Wachen machten die Reste der Obermarssegel und die Fock fest, was bei den total entkräfteten Leuten, die keinen trocknen Faden mehr auf dem Leibe hatten, sehr lange dauerte. Dann wurde über Backbord Halsen beigedreht.
Der Sturm hatte orkanartige Stärke 11 angenommen. Während die Matrosen auf dem Achterdeck nach dem Manöver und auf der Poop noch Brassen, Topnanten, Halsen und Schoten durchhalten, wurde Robert und der Junge Franz beigeschickt, die Lee-Fockbrassen und das Tauwerk der Nagelbank im Lee-Großwant aufzuklaren.

Beide gingen wir die Laufbrücke nach vorn, an StB von der Back die Treppe runter. Der Junge Franz ging wie befohlen das Tauwerk aus dem Lee-Rinnstein zu klaren. Doch der Lchtmtr Robert hielt sich an Deck stehend, am Treppengeländer fest und kam nicht weiter. Der Robert war weder feige noch schwächlich. Hier aber war er absolut am Ende seiner Kraft. Seit mehr als einer Woche keinen warmen Biesen mehr im Leib. Seit 3 Wochen Strapazen über alle Maßen bei Tag und bei Nacht. Stundenlang auf einer Raa, um ein Segel zu bergen. Kein trocknen Zeug mehr über den Gliedern und das Seewasser war nur +3 bis 0 Grad, die Luft etwa 6 bis 7. Nirgends Trockenheit, nirgends Wärme. 12 Satz Unterzeug hatte er gehabt, alles naß und verspakt unter die Koje gepfeffert. Die Koje war klamm, das Ölzeug, schon 2 Jahre alt, total zerrissen, nur mit Bootsmannsnähten zusammengehalten. So stand er da, hielt sich an der Treppe fest, unfähig sich zu rühren, sein Körper ein Wrack. Augen aber hatte der 16jährige Jüngling noch im Kopf, zum Denken und Beobachten reichte seine Kraft aus. Bei einem Versager sucht jeder Mensch nach einer Ausrede. War es vielleicht so gewollt, damit der Lchtmtr Robert, wenn schon, doch immerhin nach 60 Jahren aufschreibt, was sonst verloren gegangen wäre? Denn was ist da? Eine furchtbare See bricht über das ganze Deck.

 

Das Schiff befindet sich nicht in dem langen, hohen Seegang wie westlich vom Kap, sondern der Sturm kommt schon über Land her, die See ist steil, kurz, bei 11 Windstärken hoch und wild. Hunderte von Tonnen Wasser füllen das Oberdeck. Die Gischt nimmt sekundenlang total die Sicht.KH 1
Da…, dem Robert stockt der Atem, ihm schlägt das Herz bis in die Halsschlagader. Der Lchtmtr Robert will schreien, aber seine Starre hindert ihn daran. Die Faust, die das Treppengeländer umkrallt, zerdrückt es fast. Was ist geschehen? Dieser entsetzliche Brecher in dem tobenden lnferno des orkanartigen Sturmes hatte die beiden hinteren Laschings der Spier, einer Reserve-Mars-Stange gebrochen und das dicke Ende derselben schlug jetzt mit furchtbarer Gewalt gegen die Steuerbord Verschanzung des Schiffes etwa da, so sein guter Freund, der kleine Franz, die Lee-Fockbrassen klaren sollte. Wo ist mein Franz, mein kleiner Franz? Mein Gott, der Robert will schreien, ihm würgts durch die Kehle. Was er aber auch von sich gegeben hat als Hilferuf, der Sturm schleuderts fort ins Nichts. Der kleine Franz ringt mit dem Tode. Nicht er ist Herr des treibenden Tauwerks geworden. sondern die unbarmherzigen Wassermassen in Gemeinschaft mit dem unk1ßren,treibenden langen Tauwerk haben den kleinen Franz überwunden, halten ihn gefangen im Lee-Rinnstein, gerade dort, wo die Spíer blindwütend Tod und Bruch durch diese furchtbaren Stöße mit den Schlingerbewegungen des Schiffes austeilt. 13 Sekunden ist eine Periode. In 13 Sekunden einmal Backbord, einmal Steuerbord. Die Rollbewegungen sind nicht gleich. Vom mäßigen Rollen bis zu Ausschlägen von 30 und 40 Grad bei diesem Wetter. Wenn sich der kleine Franz nicht in ganz kurzer Zeit vom Tauwerk entwirft muß ihn die Spier in ein oder zwei Perioden zerschmettern. Der Robert fühlt die Todesangst für seinen Freund Franz, ob er ein Stoßgebet zum Himmel sandte, weiß er heute nicht mehr. Doch da, da kommen die Matrosen die Laufbrücke entlang. Wassermassen sind abgeflossen, die Spier treibt in diesen wenigen Sekunden relativ harmlos zwischen Verschanzung und Großmittschiffsnagelbank, weil auch die Wellenbewegungen sich zeitweise mäßigen müssen, weil ungleich die entfesselte Natur. Da, in diesem Augenblick springt ein Mann von der Laufbrücke auf die Spíer, dort, wo der Junge Franz dem Verderben hilflos überlassen ist. Und was sieht da der Lchtmtr Robert? Ein blitzendes Messer in der Hand des Matrosen; ritsch-ratsch, mit 2 oder 3 scharfen, kräftigen Schnitten hat der Mann den Jungen Franz, der im Wasser versunken war, um Hals und Oberkörper vom Tauwerk befreit. Jetzt hat er ihn zu fassen. Wieder kommt ein schwerer Brecher über.

Die tobenden Wasser werfen die Spier brüllend gegen die Verschanzung, doch der Mann hat den Jungen Franz irgendwie zu sich empor gezogen und als die Spier totbringend gegen die Verschanzung kracht, springt der Mann, mit Titanenkräften behaftet, mit seiner Last im Arm, in die Innenseite des Lee Großwantes, am vorderen Hoftau hält er sich fest… und der Junge Franz ist gerettet in der eisernen Faust des Matrosen Wilhelm Franke.!!!!
 KH3

Der Lchtmtr Robert hat sich geschämt von jenem Augenblick an, als er sich sagen mußte, den kleinen Franz hättest du doch retten sollen. Hiermit hat er dem tapferen Matrosen Wilhelm Franke ein Denkmal gebaut, würdig in die Seefahrergeschichte einzugehen. Und warum ist dieser Vorfall so ganz außergewöhnlich hervorragend? Weil hier das Leben des Jungen Franz von ein oder zwei Sekunden – und nicht mehr – abhing. Für diese kleinste Spanne Zeit war gerade der Matrose Wilhelm ausgesucht,weil dieser Mann, der rauhe Seemannschaft nahezu in Vollkommenheit übte, die hier lebensentscheidend war, indem er ein haarschafes Scheidemesser trug, in Blitzesschnelle jederzeit griffbereit über dem Ölzeug geschnallt. Wäre dem nicht genau so gewesen, der Robert würde jetzt vielleicht diesen Bericht schreiben, betitelt: Armer, kleiner, lieber, tapferer Franz…… Als diese Periode ausklang, trug der unüberwindliche Matrose Willem den total erschöpften, halb ertrunkenen, halb erstarrten Jungen Franz nach vorn. Dicht neben Robert, vor der StB-Logistür stellte er Franz auf die Beine. lm Toben des Sturmes hörte Robert den Willem noch etwas sagen so ähnlich wie “Tröge Plünnen”….In diesem Augenblick kam wieder ein schwerer Brecher über, der auch die letzte und vorderste Lasching der Spier brach. Nun trieb dieses Ungeheuer, etwa 70 Fuß lang, am hinteren Ende etwa 2 Fuß im Quadrat, ca. 6 Tonnen schwer, frei an Steuerbordseite der Gewalt der Wassermassenüberlassen, entsetzliche Stöße nach beiden Seiten austeilend frei umher. Da hatte Willem den Franz losgelassen und beim Wenden nach achtern, nur einen Schritt von Robert entfernt, drehte er sich dem voll zu und mit seiner rauhen Stimme brüllte er, den Sturm übertönend: “Komm Robert, Spier laschen.” Unter der Wucht dieses Mannes begann die totale Erschöpfung des Lchtmtr Robert augenblicklich zu schwinden und dem Robert ist der Blick dieses Matrosen in der Seele haften geblieben bis heute. Das war kein Strahl aus seinen Augen, sondern ein Fächer oder ein Bündel von Kraft und Mut, von Kampfeswille und unbeugsamer Härte. Diese Augen in dem braungebrannten Gesicht, hell wie die Sterne am Nachthimmel, über einer großen, schmalen, kühnen Nase, diese Augen, dieser Blick, gibt nicht auf, können nicht unterliegen. Cap HoornDiese Seele ist für Kampf und Sieg, für schwerste Strapazen und Helfer für seine Kameraden geboren. So hat die Besatzung der “Renée Rickmers” den Wilhelm Franke erlebt, das sah Robert in diesem Augenblick. Dann gingen sie beide mit ihren Kameraden die entfesselte Urkraft der Spier zu bändigen. Noch einige male schlug sie gegen die Verschanzung.

Jedem einen, der dabei war und diese harten Stöße erlebte wurde klar das geht nicht mehr lange gut. Ein Leck im Oberdeck an der Bordwand mittschiffs zu dichten, wäre unter diesen Umständen unmöglich gewesen, Es war Tag, gegen 11 Uhr am 30. Juli 1911 als die Besatzung der “Renée” geschlossen Hand anlegte ihr Schiff zu retten. Lange hat der Kampf nicht gedauert, da war das tobende Ungeheuer gebändigt und gelascht. Es liegt nicht im Wesen der Segelschiffsleute, der erste und beste gewesen zu sein, der die Spier aufhielt zu schlagen. Keiner wurde auch diesbezüglich nachher im Logis genannt. So gewaltig war das Erlebnis dieses Tages, daß der Robert seine Kameraden meist bis heute nicht vergessen hat.
 Oben auf dem Haus, mit dem rechten Fuß gegen den vordersten Stützen der Laufbrücke gestemmt, steht der Kapitän Carl Dau, von Zingst und Dars, 40 Jahre, ein großer, hagerer Mann im schwarzen Ölrock und gelben Südwester. Die Schösen vom Ölmantel werden Am Ruderschier vom Sturm zerfetzt. Mit der rechten Hand hält er sich am Strecktau fest, mit der linken, die Hand zur Faust geballt, gebietet er dem Ablauf der Geschehnisse Rettung für sein Schiff. An Deck, kämpfend wie alle, der 1. Steuermann Herr Focke, ein Oldenburger, Mitte 30, untersetzt, sehr kräftig. Mit ihm seine Wache, der Segelmacher Singel, 20, aus Bremerhaven; Harry ca. 50, ein Australier; Pit, 30, ein Flame; Bill, Mitte 30 aus Cardiff (stand am Ruder; die Leichtmatrosen Robert, 16, aus Berga; Hans Dräger, 16, aus Bremerhaven; und der Junge Karl 15, aus Wilhelmshaven (der in der vordersten Oberkoje schlief, ist mir als einzigster entfallen). Steuerbord Wache: 2. Steuermann Herr Preukert, 25, ein Schlesier. Zimmermann Götsch 24, von Bremerhaven; die Matrosen Georg Denecke, 56 aus Vegesack; Arno Schneider, 20, von Leipzig; 4 Matrosen, Russfinnen. Drei von ihnen in den 20, ihr Führer Erik, 30 oder mehr. Lchtmtr Christian Wendig, 16, von Krautsand; die Jungs Max 15, von Bremerhaven; Franz, 14 aus Bremerhaven, sein Vater war ein Weserseelotse (war zur Koje).
Noch ehe die Spier gebändigt war, als 20 Mann der „Renée“ ihr Letztes einsetzten, um das Schiff von Tod und Untergang zu retten, da war das, was sich da an Deck abspielte, in der Tat “Ein Anblick für Götter”!! Und die gegenwärtigen Hohen Wesen stellten Vergleiche an: Mögen die buddhistischen Mönche unter den Palmen Ceylons durch Besinnung, der Schau nach Innen, durch lobsamen Wandel ein der Gottheit wohlgefälliges Leben führen. Mögen die Nonnen im Kloster von Kap Vincent in den Kapellen betend fromme Lieder singen und durch die Gardinen spähend vorbeifahrenden Schiffen glückliche Reise wünschend, ein der Gottheit noch wohlgefälligeres Leben führen, doch wahrlich ich sage Euch, die Besatzung der “Renée Rickmers”, wie sie da an jenem Vormittag dem 30. Juli 1911 für ihr Schiff kämpfte, führte ein, der Hohen Gottheit weitaus wohlgefälligeres Leben! Denn während jene in absolut geistig – seelisch -körperlicher Geborgenheit leben, war diese Schiffsbesatzung dem Tode in greifbarer Nähe preisgegeben, ohne auch nur im Geringsten diesen Zustand in sich aufkommen zu lassen. Ja, habt Ihr auch einmal an das Sein auf dieser Erde gedacht, an gut und böse, Leben und Tod, hell und dunkel und die unendlich vielen Bipolaritäten des Daseins?
Diese Erde ist ein Planet, ein von Lebewesen bewohnter Stern, dessen Aufgabe es ist, vollkommene Gegensätze zur gleichberechtigten Heimat zu haben. Also Kampf ist das Wesen dieser Erde. Die aus einer Unterwelt kommenden finsteren Mächte sind immer im Angriff. Während sie im Landleben mit ihrer Tünche und Tarnung kaum zu erfassen sind, müssen sie an Kap Horn offen zu Tage treten; oh wie schön! So prägt diese gewaltige Potenz in der Natur da unten den Seemann, er muß kämpfen! Und wie ist des Seemanns Äußerung in diesem Kampf? Es ist der negative Fluch. Mit sanftem und seichtem Gebet der Mönche und Nonnen räumt man keine finsteren Mächte beiseite. Wohl aber die negativen Flüche aus den Herzen der todbedrängten Segelschiffsmatrosen haben die heile Kraft, die sich im Sturm und gewaltigen Seegang äußernden Dämonien zu bändigen und zur Wendung zu zwingen, zum Segen des Schiffes! Denn diese Seeleute kämpfen solange, bis die jeweilige Aufgabe erfüllt ist, bis der Befehl Höherer Führung ausgeführt wurde. Minus mal minus gibt plus. Hier an Kap Horn, hier kann man die nackte Wahrheit erleben! Könnten die negativen Flüche – ich betone negativ – hörbar werden, die im Laufe der Jahrhunderte durch die ausgestandenen Strapazen da unten ausgestoßen wurden, ein Raunen und Rollen würde von dort den ganzen Erdball umdröhnen. Und, einmal und immer die Unterwelt besiegt, wendet der negative Fluch, ausgestoßen aus härtester Umgebung im Kampf mit erbarmungsloser Naturgewalt, die Sphäre um diese Erde zum Segen für die Menschheit. Und wo Segen für die Menschheit erkämpft und erwirkt wird, da folgt der Segen der Gottheit, wie das Kielwasser dem pflügenden Schiff.
parma_b
Schau hin wie diese Besatzung aussah an jenem 30. Juli 1911: die Körper am Rande der Erschöpfung mit allen barbarischen Begleiterscheinungen. Der Geist ermattet und einsilbig in alle Richtungen, doch das Herz dieser Besatzung war rein und blank und nur im Herzen, in jenem Funken ewigen Seins, jedem Menschen gegeben, innewohnend, lebt die Gottheit. Wer diesen Funken da drinnen rein und blank hält, ist ein Jünger des Herrn! Wenn er nun gar die Reinheit und Echtheit, die Wahrheit und Klarheit der Natur da unten erkannt hat und lebt wie dieser Matrose Wilhelm Franke, dann schwingt solch eine Seele im Rhythmus und in Harmonie mit den Kräften der Natur, wird von keiner Strapaze überwunden, im Gegenteil, er überwindet die Einbrüche klobiger Zyklobenkräfte in das Leben der Matrosen mit dem Wesen der Königin der Künste, der Musik und seien es auch nur Töne aus einer Ziehharmonika….
Gangspill_3
Es ist nicht anzunehmen, daß die übrigen 23 Mann der Besatzung infolge des Alters oder Kriegsgeschehnisse schon alle entschlafen sind. Es ist vielmehr anzunehmen, daß dieser oder jener der Kameraden noch lebt, so bitte ich ihn, Erkennungssignal zu setzen.
Der Kampf gegen das Ungeheuer war beendet. Alles Tauwerk ist aufgeklart. Das Schiff liegt beigedreht und wettert den Sturm ab. Die BB-Wache geht mittags zur Koje, kaut noch ein Stück Speck, ein Stück Biskuit, trinkt einen Schluck eiskaltes Wasser, dann zur Koje- zur Koje. Der warme Pulsschlag in den jungen Körpern unter 3 Wolldecken überwindet in 3 ½ Stunden Schlaf die Kälte und Nässe des Unterzeugs, mit dem sie zur Koje gingen. Als dann beim Wacken die Decken zurückgeschlagen werden, sind Beine und Füße in derartige Dampfwolken eingehüllt und werden durch die kalte Außenluft derartig dicht, daß die Strümpfe, die die Füße bedecken, im Dampfe nicht mehr zu sehen sind.
Im Kajütsgang ist ein Peilrohr, dort hängt in Schlechtwetterzonen auch der Peilstock. Die Außentür ist dann verrammelt. An jenem Nachmittag ist der Peilstock unzählige male gebraucht worden, bis der Kapitän Carl Dau am Abend, als es handiger wurde mit Überzeugung und ruhigem Schriftzug in das Schiffstagebuch einschreiben konnte: “Bilgen lenz”! In der Nacht zum 31. Juli wurde noch an Segelfläche gesetzt was noch ziehen konnte. Östlich der lnsel lief das Schiff in ruhiges Wasser. Sofort bekam die “Renee ” ein ganz anderes Gesicht. Am anderen Tag wurde aus dem Zimmerhock die dort verstaute Feldschmiede an Deck geholt. Die Junggrade rissen sich drum, den Pickkrabben (Pechkessel) säuberlichst auszuklopfen und mit Sand und Segeltuch blitzblank auszuscheuern. Wer noch sich bewegen konnte, war da, holte Kohlen, schleiste Holz, trat den Blasebalg — und dann, es war im Laufe des frühen Nachmittags, kochte die Erbswurstsuppe. Das gab Laune! Der Zimmermann sagte lachend zu dem, der nichtachtend des Kohlenqualms am eifrigsten geschürt hatte: “Der Trommler war ein Moor”.Noch nie hat die Gegend von Kap Horn und die über uns schwebenden Albatrosse eine Schiffsmannschaft derartig einmütig auf der Großlucke sitzen sehen, wie sie mit unbeschreiblicher Wonne diese heiße Suppe hinunterlöffelte, von der auch in genügender Menge vorhanden war. Ein steiler Schritt zur Erholung und Besserung der Stimmung vollzog sich an diesem Nachmittag. Finster war die letzte Nacht auf See vor dem Nothafen mit unbeständigen, mäßigen Wind und heftigen Schneeschauern.
Wie mag das in der Brust des Kapitäne ausgesehen haben, denn hier machte Carl Dau den größten Fehler seines Lebens. Klar, solch einen ausgezeichneten Matrosen an Bord zu haben wie Wilhelm Franke, ist für jeden Kapitän wie ein seelischer Magnet. Auch dieser harte, herbe, in sich verschlossene Mann wie Carl Dau, unterlag dieser Induktion. ln der Nacht vor Port Stanley mußte sich das Schiff der Küste nähern. Felsen, Rocksen, Steine… weder Sand noch Ankergrund bietet der Strand. Nur die lange tiefe Bucht von Port Stanley gibt Zuflucht. Unter Land wurde die Brise unbeständig mit Schneeschauern, die jegliche Sicht nahmen. Die finstere Nacht deckte alles zu. Willem Franke stand am Ruder. Der Kapitän näherte sich ihm in entspannter Gemütsverfassung. Die hell leuchtende Kompaßlampe schmeichelte sich ein. Niemand außer den beiden war anwesend. Da äußerte sich Carl Dau, mehr träumend als wachsinníg etwa so zu dem Matrosen Willem: “Tja, Willem, was meinst, wenn jetzt so’n Schneeschauer kommt, wir drehen das Schiff durch, setzen ihn versehentlich zwischen die Rocksen, daß die gute “Renée Rickmers” nie wieder von runter kommt, dann gehen wir allem aus dem Wege und brauchen nicht ein zweites Mal um Kap Horn zu kämpfen….”. Solche Rede hätte der Kapitän ganz im Vertrauen auch seinem 1. Steuermann nicht sagen dürfen, doch da wäre es noch verständlich gewesen. Alle anderen vielleicht, hätten solche Äußerung ad acta gelegt, nur einer nicht – Wilhelm Franke. Dieser Mann, der jegliche Lebenslage überragte, ging in Mejillones, nachdem die Kohlen gelöscht waren zu Carl Dau und sagte: “Kapitän, entweder ich bekomme meine Abmusterung mit Abrechnung, oder die Reederei bekommt über Ihre Äußerung in der Nacht vor Port Stanley eine Meldung.”
Rollei Compactline 302
Das Gerücht ging später um, Carl Dau habe am Ende der Reise deswegen sein Schiff abgeben müssen. Bestätigt wurde das nie. Der Lchtmtr Robert ist schon damals mit der Geschwätzigkeit seines Kameraden Willem nicht einverstanden gewesen und dieser ganze unschöne Vorfall hat ihn gelehrt “Robert, Robert, übe Schweigen, Schweigen, edles Schweigen!” Ohne Anstrengung steuerte “Renée Rickmers” vormittag am l. August 1911 die Einfahrt von Port Stanley an der Nordostküste der Falkland-Inseln an. Ein nicht gerade kleiner Schlepper brachte den Lotsen längsseits. Die Leichtmatrosen Robert und Hans warfen die Lotsenleiter über die Reeling. An Bord kam ein kleiner, hagerer uniformierter Mann mit blonder Bürste an der Überlippe. Sein erstes Wort war: “Any death on bord?” “No Pilot” antwortete Carl Dau, der Kapitän. Dann erst grüßte der Lotse “Good morning Captain”.
1911: Vom 1. August bis 25. September im Nothafen Port Stanley, Falkland Inseln. Vom 25. 9. zweiter Kampf um Kap Horn. 5. November Überqueren 50. Grad Pacifik. 22. November Ankunft im Löschhafen Mejillones in Chile nach einer Gesamt-Reisedauer von Barry Dock in 202 Tagen. Abmusterung Wilhelm Frankes um die Weihnachtszeit 1911. 1. August 1911. “Renée Rickmers” liegt ordnungsgemäß im Hafen Port Stanley zu Anker. Der Hafen ist umgeben von nur felsigem Gelände. Er erstreckt sich lang in westlicher Richtung, hat sehr guten Ankergrund und Platz für viele Schiffe. Port Stanley liegt an der Südseite der Bucht, an denen die Segelkutter der Handwerker liegen. Alles bewegte sich damals noch mit Segeln. An Bord begann rege Arbeit. Kombüse wurde erneuert, das ganze Deck abkalfatert. Die beiden Logise und die Kajüte bekamen einen Ofen. Der Wachmann mußte nachts dafür sorgen, daß sie nicht ausgingen. Unangenehme Folgen, Husten und Keuchen blieben nicht aus. In der Takelage gab es eine Menge zu tun. Segel wurden getrocknet und abgeschlagen.In Raum A, Einstieg von der Lucke, wurde die Kohlenladung hochgetrimmt, querabgeschottet und ein schöner, freier Platz geschaffen, auf dem mehrere der eigenen Leute unsere Segel unter Anleitung des immer fröhlichen Segelmachers Singel ausbesserten.
Port Stanley
Port Stanley auf einem historischen Druck.
Die Verpflegung wurde gut, es gab reichlich wohlschmeckendes Hammelfleisch, wovon ein Pfund Peny-hapny = 12 Pfennige kostete. Keiner der Besatzung war krank um in’s Krankenhaus zu müssen.Nur einer verließ das Schiff nach dem die Verbindung mit Buenos Aires hergestellt war, der Koch. Keiner weinte diesem unsympathischen Menschen nach. Als Ersatz kam ein Schwabe mit leuchtenden Augen, fröhlichem Gemüt an Bord und der brachte dann auch Schwung in die neue Kombüse und seinen Bereich.Was uns alle freute, Kapitän Dau schenkte Wilhelm Franke eine neue zweireihige Ziehharmonika, wohl ahnend, daß die Melodien mit diesem Instrument aus hohen, helfenden Höhen herunter gerufen, gerade diejenigen Kräfte auslösten, die notwendig waren, den vielfach anfälligen Segler “Renée Rickmers” heil um Kap Horn zu bringen. In der Schlapkiste = Slopchest=Zeugladen des Kapitäns gab es nur ungeöltes Ölzeug. Alle Matrosen, deren Ölzeug aufgetragen war, ölten jetzt mit besonderer Sorgfalt ihr Neues,wohl wissend, daß sie die überstandenen Strapazen noch einmal durchstehen müßten. —
Im Hafen lagen noch einige Segler u.a. die “NAL”, eine finnische 4-Mast-Bark. Da hatte sich dieses unvergeßliche Ereignis zugetragen: Die Nal hatte an Kap Horn die Royales aufgegeit. Als ein Schiffsjunge auf der Raa war, das Segel festzumachen, setzte eine orkanartige Böe ein, die das Rack von der Kreuzuntermarsraa brach und den Jungen von der Raa warf.
Viermastbark_Nal
Viermastbark NAL von John Henry Mohrmann
 Die Raa fing sich in dem laufenden Gut der Obermarsraa und den Brassen. Dadurch wurde das noch voll stehende, nicht schlagende Untermarssegel ein riesiger Ballon, in den der von der Royalraa gestürzte Junge hineinfiel und wohlbehalten gerettet wurde. Welch harte Gesetze in jener Zeit! Nothafen hieß keinen Landgang, kein  Geld, keine Abwechselung, keinen Ausspann, keine Erleichterung. Nichts, eisern an Bord bleiben, Tag für Tag, Nacht für Nacht, Woche um Woche. Nur ein einzigstes mal besuchte eines unserer Boote eine nahe liegende englische Viermastbark. Wir an Bord “Renée“ pflegten auch den Gesang, doch jene Mannschaft sang wundervoll die englischen Seemannslieder, man spürte das Heimweh und die Liebe: “In a dark and stormy winternight, the snow layed on the Ground”. Doch im Mannschaftslogis standen die Kojen einzeln je auf vier Stützen nackt und ungemütlich, da war das der “Renée” doch noch besser. So kam nach etwa 3 bis 3 Wochen Liegezeit der Tag der Verklarung. Die Gig die auf 3 Galgen achter dem Fockmast lag, wurde ausgesetzt und klar gemacht. “Treckt jo ‘n beten god an” kam die Order von achtern. Dann stiegen wir ins Boot. Den Schlagreemen pullte Wilhelm Franke, der Matrose. Auf der zweiten Ducht saß Lchtmtr Robert Clauß, auf der dritten Ducht Lchtmtr Christian Wendig und den Bugreemen pullte der kleine, flinke Lchtmtr Hans Dräger. Das war eine feine Bottsbesetzung! Dann kam Carl Dau, der Kapitän, der setzte sich an die Pinne, neben ihm sein 1. Steuermann Herr Focke. Eine dritte Person ist dem Robert entfallen. Alle waren fein in Schale. Dann folgten die Bootskommandos: “Klar bei Reomen“…. “ab vorn”…“Reemen beí”…“ruder an”! Schnell nahm das Boot Fahrt auf. Am Ende der Mole, auf die Kapitän Dau zuhielt, stand der Hafenkapitän, ein großer, hagerer Mann in Uniform und nahm die Wurfleine wahr. Das Boot liegt fest, wir betreten die Falkland Inseln. “Warten bis wir wieder kommen”. Damit ging der Kapitän und seine Zeugen stadtwärts. Wir vier Bootsgäste, Willem an der Spitze, steuerten nach dem nahe gelegenen, großen Publichouse. Die Einwohner der Insel sind Schotten und schottisch war die Bar, sauber, kahl, schmucklos und es dauerte nicht lange, da stand vor uns Whisky. Wenig haben wir nicht getrunken, die Gläser waren immer voll. Mittag war schon vorbei, da kamen die Herren von der Verklarung zurück und wir pullten an Bord. “Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht.” Nicht nur das Feuer im Herd, im Kamin, unterm Kessel, sondern auch das Feuer in der Brust der Seeleute die durch Landgang und Alkohol ihre barbarische, gesetzmäßige Einkerkerung gesprengt hatten.
imagesCAOQBRJ0
Kaum an Bord, gab es achtern vorm Kajütseingang eine Zusammenrottung der Besatzung.
Der Matrose Willem war der Wortführer: “Kapitän, heute war Verklarung, wir haben Sie doch gut an Land gebracht und zurück, nun kriegen wir doch noch einen? Kapitän darauf kann doch noch einer stohn?!” Mit dem Rücken zum Kajütsschott stand der Kapitän und seine beiden Steuerleute mit grimmigen Gesichtern: “Nee Willem, macht das Ihr zur Koje kommt, Ihr habt an Land genug getrunken.” “Wat Kaptain, wir sollen keinen mehr haben? Auf jedem Schiff, wenn Verklarung ist, kriegen wir noch einen ut de Buddel,nur auf diesem Huker nicht?” Noch schärfer antwortete der Kapitän, noch schärfer erwiderte der Matrose Willem. Die riesigen Fäuste des 1. Steuermann Focke wurden durch die angewinkelten Arme sichtbar. Hinter Willem rotteten sich mehrere Matrosen zusammen, die auch einen Trink forderten. Rede und Gegenrede hielten kein Maß. Beschimpfungen, Beleidigungen auf beiden Seiten steigerten den Zusammenstoß bis zur Explosion. Noch waren keine Tätlichkeiten vorgekommen; doch als Carl Dau Drohungen entgegen geschleudert wurden wie: “Teuf Kaptän, wieder draußen an de Horn, nachts auf der Raas- Messer in die Segel – Sturm Luft machen – Segel fliegen weg-” und in Menge solche tödlichen Drohungen, nicht nur von einem, sondern von vielen, Scheidemesser blitzten, da war es mit der Fassung des Kapitäne zu Ende: “Heiß de Policeflagg!! — Heiß de Policeflagg !!!” Brüllte er mit Donnerstimme.” Die wollen meine Segel zerschneiden.”Segel, böswillig kaputte Segel, schon der Gedanke daran ging Kapitän Dau über die Nerven. Irgend jemand führte diesen gefährlichen Befehl aus. Die Polizei-Flagge wurde gesetzt. Das ist die Nationalflagge mit einem Knoten oder in der Mitte mit einem Garn zusammengebunden. Was sich in dieser Minute an Entsetzlichem zugespitzt hatte, war nur noch durch ein Wunder zu glätten. …Schau an, das trat in der Weißglut des Wortkampfes der immer sanfte, immer ruhige, immer wache 2. Steuermann Herr Preukert, der nicht an Land war und keinen Whisky getrunken hatte vor seinen Kapitän, vor die Menge der wütenden Matrosen. Ohne äußere Erregung, ohne geballte Fäuste, mit sanfter Rede, mit gütigem Ton, sagte er etwa, daß es doch eine Schande sei, wenn Polizei an Bord käme, wenn Verhaftungen vorgenommen würden, wir lägen hier in einem fremdem Hafen, er, Preukert, wolle wohl dafür sorgen, daß sie noch einen in de Buddel bekämen… Und so, immer beschwichtigend, dämpfte er die Glut der Herzen. Diese sanften Worte, diese gütigen braunen Augen, das friedvolle Gebahren des 2. Steuermanns waren stärker als die Wut und das Toben des Kapitäns, die angriffslustigen geballten Fäuste Herrn Fockes, der geweckte Zorn und Kampfgeist der Matrosen.
Wie Kapitän Dau merkte, daß jemand ihm das Wort genommen hatte, wurde er unsicher und schwieg. Auch die Matrosen dämpften ihre Stimmen. Diese Chance benutzte Herr Preukert zur Ruhe mahnend solange bis die Erregung der Gemüter abflaute und Kapitän Dau befahl: “Hol de Policeflagg doal!” Mit dieser Wendung trat langsam Ruhe an Bord ein…. Einer der feinsten Charaktere an Bord war der Segelmacher Singel. Ein Mann voll Fleiß, voll Lust und Freude. Immer wenn im Zwischendeck der Achterlucke ein Segel repariert war und aufgetucht werden sollte, sprang er auf, tanzte voll Freude umher und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum, ganz als oh die Segel sein Eigen wären. So kam unter viel Arbeit und keiner Annehmlichkeit während der 55 Hafentage der 25. September 1911 heran, “Renée Rickmers” ging in See. Das Wetter war handig. Als das Schiff den Schlepper losgeworfen und Segel gesetzt hatte, war der Wind westlich und Kapitän Dau sah sich gezwungen, denselben Weg zu segeln, auf dem er gekommen war, an der Ostseite der Falklandinseln südwärts. Doch schon kurz danach, lange haben wir den südöstlichen Kurs nicht gesteuert, da sprang der Wind um, wir brassten rum und das Schiff konnte einen Kurs westlich der Falkland Inseln gen Kap Horn steuern. Kapitän Dau freute sich und zeigte seine großen, starken, gelben Zähne. Wieder nahm er den Weg durch die Straße von Le Maire. Der Sturm aber, der südlich der Staaten-Insel wehte, gab dem Schiff nicht die Gelegenheit bis zur Breite von Diego Ramirez vorzustoßen, sondern kaum hatte “Renée” die Straße passiert, schon wurde das Schiff von dem ersten schweren Südweststurm befallen. Kapitän Dau ließ sich aber nicht über Steuerbord Halsen in die Weite des Südozeans abtreiben, sondern hielt ab nach St. Johns, der Ostspitze der 40 mal lang gestreckten Insel und drehte dort über Backbord Halsen im Schutze der Insel westwärts liegend bei. Am nächsten Tage wurde es handig, Segel wurden gesetzt und Kapitän Dau durchsegelte zum dritten Male die Straße von Le Maire. pommern03So hat das gute Schiff “Renée Rickmers“ bei dieser Ausreise zweimal die Falklands und Staten Insel weit westwärts umsegelt. Als es dem Schiff dann gelang, Südbreite gut zu machen, um den 300sml langen Weg westwärts zu erkämpfen, geriet es wieder in eine Periode schwerster Weststürme. … Während der 55 Hafentage war das Schiff wieder bestens Kap Horn tüchtig in Stand gesetzt worden. Besonders die Segel waren ergänzt, unter anderem vier neue Untermarssegel aus schwersten 00=null null Tuch, das mit dem blauroten Faden der Eeg. Wer, Seeleute, entsinnt sich noch dieses schwersten allen Segeltuches? Drei davon waren angeschlagen, eins lag in Reserve in der Segelkoje.
Der “Renée” wurde jetzt auferlegt die gleichen schwersten Belastungen für Schiff und Besatzung durchzustehen, aber nicht 3 Wochen wie vor Port Stanley, sondern September, den ganzen Oktober und Anfang November hindurch. Die unsichtbaren Schutzwesen, die das mitgewirkt haben kann man nur vermuten. Merkbar waren die starken Herzen der Schiffsführung und der Matrosen, allen voran der Matrose Wilhelm Franke. Wenn schwere Brecher die Leute über Deck wuschen, die Wassermassen über die Leereeling schossen, in Lee waren keine Reelings- netzte (Likenfänger). Lag man nachts bei Sturm stundenlang auf der Raa, so wurden die Hände schwersten Anforderungen ausgesetzt, denn die Hände sollten es machen, die Segel zu bergen. Wochenlag war das Oberdeck unter Wasser, solange, bis man an Deck kaum mehr gehen konnte, weil der Bewuchs von Algen das Deck so schlüpfrig gemacht hatte. Als Kapitän Dau einmal versuchte, auf 60 Grad Süd raumen Wind zu finden, wurde es handig. Das Schiff fuhr Bramsegel, da ging die BB-Wache bei und scheuerte das Deck mit Sand und Besen, bis man wieder gehen konnte. Nun war der Spaß vorbei: Anlauf nehmen, wenn der Steven des Schiffes sich in hohem Seegang hob, nach achtern zu schlittern bis zur Kombüse, ja bis zum Kreuzmast…. Seltsame Wunder passierten. Die Laufbrücke hatte nur ein Strecktau und zwar an der Außenseite. Täglich gingen 7 mal (man ging englische Wache) beide Wachen die Laufbrücke entlang. Bei den Bewegungen des Schiffes kam schwerste Belastung auf dies eine Strecktau, doch es hielt. Vom hintersten
Strecktaustützen ging das Strecktau nicht in gleicher Höhe zum Poopgeländer, sondern es verlief lang ohne Halt in einen Bolzen auf die Poop. Eines Vormittags, das Schiff lag vor schwerem Sturm über BB-Halsen beigedreht, wollte um 10 Uhr Robert den Rudersmann ablösen. Als ich mich zwischen Mittschiffshaus und Kreuzmast befand, als Einziger auf der Laufbrücke, holte das Schiff hart nach StB. über. Da riß der Strecktaubolzen auf der Poop aus, Robert stürzte von der Laufbrücke in’s Wasser, die Wassermassen wuschen ihn über Bord, doch Robert hielt ein Tauende fest in der Hand und als das Schiff nach BB überholte, wusch ihn die See wieder innenbords. Herr Focke machte große Augen, als Robert triefend auf die Poop kam und bald war das Strecktau neu gespannt….
Rounding Cape Horn on the Parma

Drei Wochen nach Port Stanley lag “Renée” irgendwo südwestlich von Kap Horn in der Periode Sturm-Gegenwinde. Da kam die unvergeßliche Nacht vom 15. zum 16. Oktober 1911. Und haben die Seeleute dieser Reise noch viele, viele Sturmnächte in ihren Leben erlebt, eine schwerere erlebte keiner.

Auf Nachmittag- und Abendwache hatte man schon Obermarssegel und Fock festgemacht und das Schiff über BB-Halsen beigedreht. Um Mitternacht war die Steuerbord-Wache zur Koje gegangen. BB Wache hatte Ruder und Ausguck verfangen. Der Ausguck stand nicht auf der Back, sondern vorkant vom Besahnmast. Furchtbar nahm der Sturm an Härte zu, entsetzlich tobte die See. Jetzt in dieser Nacht, auf dieser Mittelwache hatten sich die jenseitigen Wesen im Orkan und den Brechern etwas vorgenommen, jetzt wollten sie der “Renée” den Garaus machen. Doch diese groben Gesellen hatten nicht mit ihrem Gegenspieler, dem eisenharten, überlegenen Kapitän Carl Dau gerechnet. Ohne Unterbrechung hielten er und seine beiden Steuerleute ein wachsames Auge über Schiff und Takelage. Der den ersten Ausguck hatte, Robert, bohrte seine Augen in die Nacht, er fühlte, hier passiert etwas. In die Achtergäste kam keine Ruhe. Karl Dau war an Deck, der 2. Steuermann noch nicht zur Koje. Es war etwa 0h30, da arbeitete sich Willem nach vorn, die Freiwache zu wecken: Das Vor-Untermarssegel soll festgemacht werden. Es dauerte nicht lange, kommen einzeln die ersten Leute. Da, dem Robert fährt das Entsetzen durch die Glieder: Was fegt da im Orkan über die Laufbrücke dahin? Es sind die Bootsdeckel; einer nach dem anderen hat sich losgerissen und fliegen wie Geschosse quer über die Laufbrücke, gerade als einer nach dem anderen der StB Wache von vorn kommt. Woher nimmt der Sturm die Kraft die Zurrings und Vorreiber der Bootsdeckel zu sprengen? Hätte ein Bootsdeckel einen der Wachen mit sich gerissen, schwerster Unfall wäre geschehen… Es ist 1 Uhr, Herr Focke brüllt durch die Nacht: “Gel up Vor-Untermarsseil !” Langsam wälzen sich die Leute entlang der Laufbrücke und werden an Luv-Geitau und Gordings verteilt. Der Sturm hat volle Orkanstärke erreicht, die See ist Wut, Brecher kommen über Deck. Robert steht mit Kameraden am Luv-Außengording. In schwerstem Wetter ist es Sache des l. Steuermannes die Schotenketten zu fieren. Als alle Leute verteilt sind, geht Herr Focke die Lee- Schotenkette zu schrinschen. Wer diese Minute erlebt hat wird sie nie vergessen. Das war Zweikampf zwischen Menschenmachwerk und Naturgewalt. Die Untermarssegel waren allerschwerstes Segeltuch, allerbestes Handwerk, schier unzerstörbar. Der Orkan brüllte, daß sich kein Mensch mehr verständigen konnte. Als Herr Focke die Schotenkette auch nur einen Schrinsch fierte, da geschah es: grell, schreiend, greischend, mit einem Höllenton zerreißt mit einem Raatsch das funkelnagelneue, schwerste Vor-Untermarssegel von lee nach luv, von Lik zu Lik wie Zunder.
Zerfetzte Segel
Jetzt hatte der Sturm seine Beute zu packen, jetzt riß er das Segel in tausend Fetzen. Jetzt peitschten die Tuchbahnen wie Geschützdonner aus tausend Batterien durch die Nacht. “Renée”, “Renée”, halte stand, es geht dir ans Leben. Die Schläge des berstenden Segels, das Ringen des Schiffes in Orkansee, im aufgewühlten Toben der Wassermassen machen das Schiff unbeschreiblich erzittern. Schiff und Besatzung sind bei diesem Wetter machtlos den Naturgewalten unterworfen. Unerfüllter Sache geht die Steuerbord Wache zur Koje, d.h. ins Logis. Es folgen keine weiteren Befehle. Die BB-Wache begibt sich bis 4 Uhr auf die Poop, bis Ende der Wache. Die wegfliegenden Fetzen des Vor-Untermarssegels erleichtern die Stöße und das Zittern im Fockmast, weil kein Winddruck mehr im Segel ist. Als sich die Wache kurz nach 4 Uhr im Logis zusammen findet, lastet auf jedem von uns eine merkliche Beklommenheit. Fühlt ein jeder, daß er um Nahtbreite dem Untergang entronnen ist? Nach diesem schicksalhaften Wachwechsel ging jeder der Matrosen finster und wortkarg zur Koje. Das ist das einzigste Mal, wo Willem Franke nicht zur Harmonika griff, sondern still und verbissen eintörnte. …
Die ganz schweren Stürme an Kap Horn wehen oft bis zu 36 Stunden mit unverminderter Härte, so auch hier. Carl Dau hatte sein Schiff für diesen Sturm rechtzeitig vorbereitet, Segel geborgen und das Schiff über BB-Halsen gelegt, noch ehe der Orkan von Südwest kam. So luvte “Renée” in der Nacht zum 16. gegen den hohen, gräßlich wilden Nordwest Seegang an und gab dem Ablauf des Geschehens mit überkommenden Brechern diesen todesdrohenden Verlauf. Doch “Renee” lag nicht quer zur See, sondern gegen an, was zur Rettung eines Schiffes das Entscheidende ist. War das weggeflogene Vor-Untermarssegel ein schwerer Verlust, so war dadurch die Entlastung im Vortop bei diesem Wetter nicht weniger als lebensrettend für das Schiff. Der Wut des Orkans war die Macht über den Vortop entzogen! Nur die Fetzen des neuen, geopferten Untermarssegels donnerten durch Nacht und Tag, den gierigen angriffslustigen Untermächten der Natur eine geringe Befriedigung gehend. … So ging der Robert während dieses Orkans zur Koje und hatte den scheinbar wirklichkeitsnahesten Traum seines Lebens. Er träumte, “Renée” sei untergegangen und er befände sich auch noch an Kap Horn- aber in einem veränderten Dasein. Ein komischer Zustand umgab ihn. Ja, da sind ja seine Kameraden von der BB-Wache, auch von der StB-Wache. Da ist der starke Zimmermann Göttsch, und da sind auch noch andere Menschen, die er nicht kennt. Da ist kein Sturm mehr, sondern alles ganz ruhig, ganz anders. Und diese fremden Wesen sind auch Menschen, auch Seeleute, aber ganz altund verwachsen. Einige sehen gutmütig, andere grimmig aus. Ach ja, da ist auch Carl Dau unser Kapitän. Und der lange, hagere Carl Dau mit seinem blonden Stoppelbart tritt immer deutlicher in Erscheinung und die fremden, verwitterten Wesen und andere und die eigene Besatzung umringen Carl Dau. Und Carl Dau wird Hauptperson der ganzen Scenerie. Raunen und Grollen hört man, seltsame Laute, fremde Töne. Und der Robert ist mitten drin. Da ist gar kein Zweifel: Hier in der anderen Welt, wir sind ja alle nicht mehr an Bord “Renée”, stellen eben diese fremden, manche von ihnen sehr ehrwürdig aussehenden alten Seeleute unseren Kapitän Carl Dau zur Verantwortung, warum er das Vor-Untermarssegel hat aufgeien und festmachen lassen wollen. Einige von ihnen klagen ihn an und nehmen eine drohende Haltung gegen ihn ein, wie damals die Matrosen in Port Stanley, als er von der Verklarung kam. Und der Robert kann nichts verstehen, es ist nur ein Gurgeln, fast ein Quaken aus den seltsamen bewachsenen Gesichtern. Carl Dau steht da furchtlos wie ein Recke, auch das was er sagt ist fast unverständlich.
Doch von den alten fremden Seeleuten tritt jetzt einer hervor, der hat einen langen blonden Bart und leuchtende blaue Augen. Der legt Carl Dau die Hand auf die Schulter und sagt und alle Leute konnten es verstehen: “Recht hast Du gehandelt Kapitän Dau, als Du das Voruntermarssegel geopfert hast. Bei diesem Wetter war an ein Festmachen des Segels gar nicht zu denken. Das Verteilen beider Wachen an den Geitauen und Gordings zum Scheine war dein gutes Recht. Durch das Opfer des Segels hast Du dem Sturm die Angriffsfläche genommen, dadurch hast Du in dieser Orkannacht Deinem Schiff das Leben gerettet. Durch diesen Deinen freien Entschluß, wo jene dort Dein Schiff schon verderben wollten, hast Du bewiesen, daß Du ein großer Seemann bist.” Und andere Wesen kamen, umringten Kapitän Dan, alles wurde licht und freundlich um ihn und alle Anwesenden. Und Roberts Kamerad von derStB-Wache, Christian wendig legte seine Hand auf Roberts Schulter, schüttelte ihn als er schrie: “Komm Robert, törn ut, du hest den ersten Rudertörn.“ Da merkte Robert, daß sein Schiff gar nicht untergegangen var. Es dauerte eine Zeit, bis sich Robert von diesem seltsamsten Traumgebilde gelöst und sich wieder ins Diesseits gefunden hatte. Dazu verhalf ihm mit rauher, harter Stimme der Matrose Willem, der in der Koje über ihm schlief: “Komm Robert, raus, Ruder ablösen!”….
Als der Tag am 17. Oktober graute, kam wieder Leben in die BB-Wache als man merkte daß die Vor-Untermars-Brass gebrochen war. Eine Jolle wurde aus dem Kabelgatt geholt. Die noch schlagenden Reste des Vor-Untermarssegels waren zwar nicht ungefährlich, doch die Matrosen Willem und Louis legten auf der Obermarsraa aus, gingen dort von der Nock zur Untermarsraanock um die Jolle anzustecken und so Halt in die Raas zu bekommen. Bei dem Blick nach oben gegen den schon hellen Himmel gewahrte Herr Focke, daß die Vorbramstange wackelte. Eilenden Schrittes meldete er das dem Kapitän. Es dauerte nicht lange, da gingen beide Männer in die Vorbramsaling, der Ursache auf den Grund zu gehen. Zimmermann Götsch wurde geweckt, es dauerte nicht lange, da enterte er, Herr Focke und Willem mit Kreefsäcken und sonstigem Geschirr in die Bramsaling. Es fielen Spähne, man hörte Axt- und Hammerschläge und der Robert kann sich nicht entsinnen, daß die Vorbramstenge noch einmal gewagt hätte, eigensinnige Bewegungen zu unternehmen. …
Wochenlang ging das barbarische Ringen um Kap Horn weiter. Schonungslos wurde die Freiwache an Deck geholt, wenn es die Wetterlage erforderte. Kap-Hornfieber unter der Mannschaft brach aus.
Sturm
Eines Nachts mußte eine Segeljolle aus dem Kabelgatt geholt werden. Der Robert stand dabei an der Kabelgattslucke. lm Kabelgatt war die Jolle unklar, es gab einen Stopper. Plötzlich bekam Robert von Willem eine Ohrfeige, er war stehend eingeschlafen. … Selbst nach schwersten Strapazen wurde das Wachmustern bei Wachwechsel nicht versäumt, oft nur so, daß gezählt wurde und Herr Focke die Meldung bekam: “Aal hier Backbord” – “Aal hier Stürbord.“ Nach einer dieser beschriebenen Sturmnächte mit Qbermarssegel und Fock festmachen, anschließend halsen, fehlte zur Musterung Karl, der lang aufgeschossene, für diese Strapazen viel zu schwächliche Schiffsjunge der BB-Wache, ein Wilhelmshavener. Ehe die Wache verfangen wurde, mußten allemann nach Karl suchen. Weder fand man ihn in seiner Koje, noch in einer Kummer, nicht in der Segelkoje, nicht in der Kombüse, weder lag er verletzt oder bewußtlos im Rinnstein, noch hatte ihn jemand außenbords fallen sehen. Also suchen! kam die Order. Unter der Back, vorkante vom Logisschott ist eine ganz verschwiegene Ecke. Mit Lauflaternen hatte man alle Winkel abgesucht, bis schließlich Robert seinen Kameraden dort fand: “Karl, wat is los mit dir?” Hier lag Karl zwischen zwei Spanten gelehnt, längs der kalten Bordwand gestreckt vollkommen apathisch mit weit aufgerißenen Augen, schier leblos seinem Schicksal ergeben. Auf keine Frage antwortete er mehr. Man trug ihn ins Logis, dort entkleidete man ihn und in der wärmenden Koje kam er zu neuem Leben.
Je länger an Kap Horn, desto härter wurden die Strapazen weil Hände kaputt gingen, nie wurden Seestiefel und Ölzeug trocken, Kap Horn Fieber griff um sich. Zwischen den beiden Wachen entstand eine Spannung. Die eigene Wache war die Crown – oder Starwatch, die andere verächtlichdie Pokywatch. Bei seiner eigenen Wache hatte der Robert sich Gegner zugezogen, weil er nach einer Sturmnacht – aus irgend einem Grunde wollten die Matrosen beider Wachen dem Kapitän zeigen, daß sie auch auf seinen Köm verzichten können – als Carl Dau in der Kajüte mit der Flasche in der Hand die Matrosen erwartete, Robert als einziger die “Besahnschot an“ nicht verweigerte, sondern den Hochgenuß des durchwärmenden Getränks – nur ein kleines Glas – sich zu Gemüte führte. So waren die Wachen über Robert geteilt. Die einen wollten “em wiesen“, die anderen vor allem der Segelmacher deckten Robert: “Was wollt Ihr, wenn Ihr im Logis sitzt und Foffteín macht, dann liegen wir beide auf den Marsraaen um die Segel auszubessern.”Oft ist es vorgekommen, wenn die Obermarssegel festgemacht worden waren, dann erst der Sturm seine volle Härte annahm, daß er Brocken am Segel losriß und beschädigte. Schon eine Brook am Schothorn, die nicht gut fest war, löste sich und der Sturm richtete Schaden an. Dann gingen bei Tage, ob es hart wehte oder nicht, der immer tapfere Segelmacher Singel und sein Gast Robert nach oben, lagen auf der Raa um mit Faden und Nadel die Segel zu reparieren, damit sie nicht abgeschlagen werden mußten. Derartige Reparaturen an den Segeln kamen oft vor.Wenn die Wache nichts tat, der Segelmacher und Robert lagen auf der Rae. Georg Däneke, der 56jährige Matrose war Segelmachergast der StB-Wache. Auch hatte der Robert Ehrgeiz in den Knochen, Kap-Horn-Fieber kam nicht an ihn ran. Kapitän Dau hat ihm das anerkannt. Als Robert abmusterte stand in seinem Musterbuch: “Ab 10. Januar als Matrose.” Am 10. Januar 1912 trat “Renée Rickmers” die Heimreise beladen mit Salpeter an…. Wenige Tage nach dem Verlust des Vor-Untermarssegels wird das Schiff von einem gleichstarken Orkan befallen. Die BB-Wache lag zur Koje, als wieder 1000 Kanonenschläge das Schiff durchzitterten. Vom Kreuz- Untermarssegel war eine Schotenkette gebrochen, so ging das zweite, in Port Stanley gemachte neue Untermarssegel verloren und noch kein Ende von Kap Horn zu sehen. …
Bei einem Halsenmanöver vormittags, Matrose Arno Schneider steht Luv, Lchtmtr Christian Wendig steht Lee-Ruder. Das Schiff luvt an und hat die hohe, steile See 4 Stich von BB ein. Da brüllt der Kapitän: “KICKUT, VORSCHAU und läuft vom Kompaß in Deckung. Ein Brecher bäumte sich am Heck auf, schlägt auf die Poop, zertrümmert den Ruderkasten, nimmt die Teile mit außenbords, doch wie ein Wunder sind die beiden Rudergänger unversehrt geblieben. Nach einer Sturmnacht soll morgens um 8 Uhr die StB-Wache ablösen. Der Mann der BB-Wache, der 8 Glasen schlagen soll stellt fest: die Glocke ist nicht mehr da. Sie ist von einer See aus dem Livholz achterkante der Rack ausgebrochen. Wo ist die Glocke? Willem Franke findet sie im Lee-Rinnstein. Zu derben Scherzen, zu denen dieser lebensstarke Mann immer aufgelegt ist, nimmt er die Glocke mit in’s StB Logis und schlägt der StB Wache im Logis 8 Glasen vor. Das aber war zuviel an Humor für die starken Matrosen StB Wache. Erik, Georg Däneke, Arno Schneider stellen sich ihm drohend entgegen und unter lautem Krach muß er mit seiner Glocke aus dem StB Logis reterieren. … Mit zunehmender Härte, zunehmenden Strapazen konnte Kapitän Dau seiner Mannschaft nicht mehr zumuten, mit beiden Wachen so ein 8 bis 10 Stunden langes Nachtmanöver zu starten, sondern er fing eher an und dann mit einer Wache. Eines morgens auf Morgenwache lagen 9 Mann der StB Wache auf der Kreuz-Obermarsraa das Segel zu bergen; noch war es Nacht, Sturmnacht, Rollbewegungen des Schiffes von 30 bis 40 Grad. Da brach das Fußpferd! Das ist der Halt der Matrosen.
Fußpferd
Darauf stehen sie, mit dem Bauch liegen sie auf der Raa und mit den Armen raffen sie das Segel ein. Plötzlich ist der Halt weg, die neun Mann hängen in der Luft. Wie durch ein Wunder stürzte keiner von oben, die guten Handperden waren Rettung für die Leute. …
Es war Anfang November 1911. Seit länger als 5 Wochen ab Port Stanley war das Schiff umgeben von Härte, Strapazen und Gefahren. Da kam endlich die von jedem Schiffsführer da unten ersehnte Wetteränderung, der raumende Ausschießer von Süd-West. Es geschah auf einer Morgenwache. Nachts hatte es noch hart geweht. Jetzt lag das Schiff über BB-Halsen. Der Wind hatte von Sturmstärke abgenommen bis 8= stürmischer Wind.
Es war zwischen 7 und 8 Uhr, da raumte der Wind weiter, die hellen Sonnenstrahlen durchbrachen die schwere Wolkedecke. Das ganze Schiff atmete auf. Bill am Ruder steuerte Kurs; W N W Robert und Hans, die Leichtmatrosen wurden nach oben geschickt: “Los die Fock!”
Durch das ganze Schiff ging es: “Wir steuern Kurs.” (damals + 2 Strich Ortsmißweisung= rechtweisend Nordwest über Grund) Der Wind raumte mehr. In den 13 Monaten, die diese Reise dauerte, sah ich Carl Dau zweimal lachen. Einmal am 25. September, als “Renée Rickmers” Port Stanley verlassen hatte und der Wind umsprang, so daß das Schiff Westkurs anliegen konnte und nicht östlich der Falklands nach Kap Horn segeln mußte und heute, als Renée den rettenden Kurs in den Pazifik steuern konnte. Und wie waren die Leute dabei! Zwar war der hohe Seegang direkt von vorn und das Schiff setzte hart weg, die Back unter Wasser doch das Schiff lag auf Kurs, der Wind raumte: “Luv Brassen!“ Nach 8 h blieb die BB Wache an Deck.
Mit beiden Wachen wurde die Fockschot angeholt. Das war ein kabelgeschlagenes, verjüngtes Manillatau. Nach der Fock wurden nicht die Obermarssegel, sondern gleich volles Großsegel und volle Bagien gesetzt – und beide Wachen holten die Schoten an – und Kapitän Carl Dau freute sich und zeigte seine großen, starken, gelben Zähne.
Der noch stürmische Wind nahm nicht ab, sondern raumte mehr. Ich habe in meinem ganzen Leben nie ein härteres Segeln erlebt als an diesem Vormittag. Mit 10 kn Fahrt setzte die Back unter und kam der hohe Wasserberg erst achterkante der Mittschiffsnagelbank, dort, zwischen den Bootsgalgen an Deck nieder. Carl Dau aber nahm die Chance wahr und hielt durch und so erreichte das Schiff mit diesem Süder den 50. Breitengrad Pazifik, die Umsegelung von Kap Horn….
CapeHorn_3
Lange hielt der stürmische Süder nicht vor, doch der Wind blieb raum. Es mag am 3., 4. oder Sonntag den 5. November 1911 gewesen sein. Die Wache war noch nicht zu Instandsetzungsarbeiten eingeteilt. Das Schiff steuert Kurs, Sonnenschein, Willem spielt Harmonika, Zeugtrocknen, Leben und Lachen allgemein. Da kommt der immer zynische Matrose Louis Ehlers auf die Idee, holt beide Wachen zusammen: “Kommt her Jungkerls, zeigt mal eure Hände, wieviel Seekutten habt Ihr? Ich habe ein feines Mittel dagegen, hölpt sofort, up’t letzte Schipp sind wi all sofort gesund worn”.
Da standen sie, die 3 Jungs, die 3 Leichtmatrosen, die beiden 20jahrigen Matrosen und die Hände wurden gemustert. Dem Robert seine sahen am schlimmsten aus. 22 Verwundungen hatte er an den Händen. Die Haut war weg von allen Fingerknöcheln und in den Händen hatte er 6 tiefe, breite Seekutten. “Komm Robert di behandel ick erst, dat duuert nich lang, dann bist du gesund.” Mit Zweifeln wollte sich der Robert abwenden, doch allemann entschieden: „ Ja, Roberts Hände sind die schlimmsten, Robert zuerst.” Robert, ein gutmütiger, starker, für jeden Einsatz williger Bursche mußte sich von Louis zuerst behandeln lassen. Lachen und Frohsinn im BB Logis. Louis holte einen Klumpen Pech-aus dem Pickgrabben, holte einen Spahn trochnes Holz, nahm ein Streichholz, steckte den Spahn in Brand, Robert streckte seine Hand aus, Louis freute sich und grinste: “Dat deit nich weh.” Er hielt den Pechklumpen über den brennenden Spahn, so daß der flüssig glühende Pech in die offenen Seekutten (Trockenritzen) träufelte. Der Robert ging in die Luft vor Schmerz und wollte davonlaufen:”Nee-nee, komm, in jede Seekutt ‘nen schönen Tropfen und du bist gesund.”
Beim 2. Tropfen verfinsterte sich der Robert, bei einem der nächsten schrie er den Louis an: “Scheit ut du Hund, mach daß du zum Teufel kommst mit deiner Kur.” Und gewaltsam, Wut in den Knochen löste sich der Robert aus der Umklammerung.
Der Louis aber, sonst schon ein braunrotes Gesicht wurde finster und hart, die Rote wurde dunkelrot, die blauen Augen versanken unter den buschigen Brauen und voll Zorn brüllte er den Robert an: “Wat seggst du to mi? Hund seggst du to mi? un ick meen dat so good mit di. Un du Hund seggst du m mi un ick bin Matros un du bist Lichmatros.” Der Robert voll Zorn entgegnete ebenso hart und hielt ihm die Faust entgegen. Da brüllte der Louis: “Komm rutt an Deck, dat war ick di wiesen.” Zwischen der Treppe zur Back, der BB Mittschiffsnagelbank und der Verschanzung vor dem Fockwant, da ist ein freier Platz. Mit geballten Fäusten traten die beiden Jungkers sich gegenüber. Der Bauernsohn Louis war größer und auch 3 Jahre älter. Das hielt den Robert nicht ab, den Faustkampf zu beginnen. Schon beim ersten Schlagaustausch fing Louis große Nase an zu bluten. Als das der Robert sah, hielt er vor Genugtuung den Bruchteil einer Sekunde inne, was er nicht hätte tun sollen. Louis war an den Mittschiffspoller gedrängt, holte jetzt tief Luft und ging zum Angriff über. Die beiden Körper, die keiner Strapaze unterlegen waren, hauten jetzt voll aufeinander los. Von Mittschiffs zur Seite ist das Deck um einfünfzigstel Breite abschüssig. Robert wurde an die Bordwand gedrängt, stieß mit den Hacken gegen den Seitenpoller, verlor die Deckung, sank auf den Poller und nun hatte Louis gesiegt. Ungedeckt mußte Robert schwerste Faustschläge hinnehmen. “fair fighting Louis” rief Harry, der kleine, drahtige Australier. Als Louis die Chance des Überlegenen nicht aufgab, Robert schon 3 blaue Augen und blutige Lippen hatte, trat Willem Franke heran, streckte seinen starken Arm zwischen die Kämpfer und rief laut: ” A U S ! “. Nach tiefem Luftholen auf beiden Seiten rief Wilhelm weiter: “Kommt ihr beiden Kampfhähne, kommt, macht shake hands und Eure Wunden sind heil.“ Das also war des Leichtmatrosen Robert erste vollendete Kap Horn Umsegelung. Nach Anstrengungen, Strapazen und Entbehrungen ohne Beispiel, alles für eine Heuer von 40 RM wo jeder der Besatzung eine Donation verdient hätte, jetzt eine Niederlage im Faustkampf gegen seinen Kameraden Louis, mit dem zusammen er in gefahrvollsten Nächten stundenlang auf der Raa gelegen hatte. …
Doch nun zur Wirkung des flüssigen Pechs in eine Seekutt. Bitte meine Damen und Herren, selbst ausprobieren: Auf einem Glattdecker mustern, voll beladenes Schiff, mindestens 3 Wochen an Kap Horn, kein Warmwasser, keine Salbe, nur Stengeschmiere, kein Verbandzeug, nur in den 3 Stunden Kojenruhe das warme Blut pulsieren lassen. Seekutten etwa 2mm tief, und 10 mm lang. Kommt dann das glühende Pech auf das rohe Fleisch, bildet sich sofort eine Haut dazwischen, die eine gründliche Heilung einleiten kann, wenn …. Ruhe herrscht. Louis hatte schon recht, wenn er seine Heilmethode anpries mit den Worten: “Het up dat letzte Schipp im hulpen.”..
Am Sonntag den 5. November 1911 hatte “Renée Rickmers“ Kap Horn besiegt und am 22. November, Buß und Bettag 1911 lief es in seinen Bestimmungshafen Mejillones auf 22 Grad Süd an der Chileküste ein.
falciny
Die Reise war also die letzten 1600 Seemeilen mit ca. 4 kn Durchschnitt beendet worden. Hier fing das Löschen der Kohlenladung sofort an. Und als so um die Weihnachtszeit der letzte Korb gelöscht wurde, ging der Matrose Wilhelm Franke zu Kapitän Dau und erzwang unter Androhung der Meldung an die Reederei betreffs der Geschwätzigkeit des Kapitäne in der Nacht vor dem Einlaufen nach Port Stanley, seine Abmusterung.
Die Arbeiten in der Ladung waren in vollem Gange. Die Sonne stand mittags im Zenit. Robert stand gegen 11 Uhr neben der Kombüse wegen eines Trunk Wassers. Da kam Willem Franke aus der Kajüte. Die Hand voller Peseten, das Musterbuch in der Tasche. Das braune Gesicht mit den leuchtenden Augen strahlten wie die eines siegreichen Gladiators nach dem Auftritt in der Arena. Nie sah ich je einen Mann wieder mit solch alles bezwingendem Schritt. Nachmittags ging Wilhelm Franke von Bord, ordnungsgemäß abgemustert. Der Mann verließ das Schiff, dessen Seelenstärke der Kapitän weitgehend die Umsegelung von Kap Horn zu verdanken hatte. ….
pommern05
Dann hörten wir, Wilhelm Franke habe als Bootsmann auf einem Laeisz’schen Schiff für die Reise nach dem Kontinent gemustert. Nie habe ich diesen in seiner Art wirklich einmaligen Seemann vergessen können. Oft habe ich mich vor, in und nach dem ersten Weltkrieg nach Wilhelm Franke erkundigt. Einmal hörte ich: “Ja, Wilhelm Franke ist bei Ausbruch des Krieges 1914 in Deutschland gewesen, ist zur U-Boot Waffe gezogen worden und mit einem U – Boot verschollen.

Widmung Kptn ClaußCaptain_Robert_Clauss_in_March_1969